ANTON – MIT BLAULICHT INS LEBEN

Ein Gespräch mit Eltern Barbara und Christian Dreier

Im Februar wird Anton drei Jahre alt. Er ist ein Schlawiner, ein Kuschelbär, blond, schüchtern, verspielt und schwerbehindert. Acht Wochen vor seiner geplanten Geburt lag Mutter Barbara, in Begleitung ihres Mannes Christian, im Rettungswagen mit Blaulicht auf dem Weg in die ASKLEPIOS Klinik in Altona. Ein extrem hoher Blutdruck und ein viel zu kleines Kind - Anton musste schnellstens auf die Welt geholt werden. Statt im kuscheligen Wochenbett lag er auf der Intensivstation und kämpfte sich mit Atemproblemen ins Leben. Barbara und Christian Dreier erzählen mit beeindruckender Offenheit über das Leben mit ihrem Sohn. Über Hürden, Entwicklung und Fertigkartoffelpüree.

Frau Dreier, Sie hatten eine turbulente und schwere Geburt mit Folgen. Anton ist schwerbehindert. Was ist die Diagnose Ihres Kindes?
Im Fachjargon hat Anton beidseitig eine bilaterale spastische Zerebralparese, eine Mikrozephalie und eine Dystrophie. Durch die hirnbedingte Bewegungsstörung und eine erhöhte Muskelanspannung kann unser Sohn weder alleine sitzen noch stehen. Gelenk- und Muskelprobleme, Entwicklungsverzögerungen, Schlafschwierigkeiten. Die sprachlichen und motorischen Fähigkeiten sind eingeschränkt. Wenn mich jemand nach Antons Prognose fragt: Die gibt es nicht. Aber es gibt langsame und kleine Fortschritte. Manchmal auch Stillstand.

Frau Dreier, bedeutet dies, dass Sie mit einer dauerhaften Ungewissheit in Bezug auf Antons Entwicklung in die Zukunft blicken?
Es gibt ein Sprichwort: „Wenn man am Gras zieht, wächst es nicht schneller“. Anton lebt und entwickelt sich in seinem ganz eigenen Tempo. Manchmal sieht das Ergebnis anders aus als erwartet, das frustriert Anton dann. Wir ermutigen ihn, die Dinge auf seine Art zu erledigen. Dabei haben wir stolze Glücksmomente. Einer davon war, als Anton das erste Mal beim Essen nach der Gabel griff. Anstatt ängstlich zu reagieren und ihm das Besteck wegzunehmen, weil er sich verletzten könnte, haben wir ihn machen lassen. Das fördert Antons Selbstvertrauen. Auch wenn etwas nicht so klappt, entdecken wir immer neue Interessen und Fähigkeiten unseres Sohnes. Jeder Fortschritt ist ein Feuerwerk der Freude.

Herr Dreier, wie haben Sie sich in der ersten Zeit beraten gefühlt und auf welche Barrieren ist Ihre Familie gestoßen?
Gerade in der ersten Zeit standen wir vor großen Herausforderungen. Ein schwer behindertes Kind erfordert in besonderem Maße die volle Aufmerksamkeit und Pflege. Von offizieller Seite wird man zwar unterstützt, aber die wirklich wichtigen Sachen sagt einem keiner: Taktisch kluges Verhandeln mit der Krankenkasse, grundlegende rechtliche Fakten zum Pflegegeld und Behindertenausweis, Informationen zu Hilfsmitteln – das sind alles Dinge, bei denen wir Unterstützung gebraucht hätten. Wir würden uns für die Zukunft wünschen, dass es für betroffene Familien einen Leitfaden zur Orientierung gibt.

Erst Frühförderung dann integrativer Kindergarten. Ein familienorientierte Ansatz, der  für Antons Entwicklung sehr wichtig ist. Herr Dreier, welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Um Anton in seiner persönlichen und körperlichen Entwicklung zu fördern, stand für uns als Eltern gleich fest, dass Anton nach der Frühförderung einen integrativen Kindergarten besucht. Unser Sohn ist ein schüchterner Junge und braucht Zeit, um sich an fremde Menschen zu gewöhnen. Mittlerweile sind die Pädagogen der Lebenshilfe Stade aber schon fast Familienmitglieder. Es herrscht eine entspannte Atmosphäre und auch für die Sorgen von uns Eltern haben sie immer ein offenes Ohr. Der hier stattfindende Austausch zwischen den Mitarbeitern, deren fundierte Ausbildung und langjährige Erfahrung, gibt uns die Sicherheit, dass die bestmögliche Förderung für Anton gewährt wird.

Frühförderung, Therapien, Arztbesuche und im Haus viele Hilfsmittel. Frau Dreier, worauf kommt es bei den Hilfsmittel an?
Ein Hilfsmittel muss alltagstauglich sein. So banal es klingt, aber wenn Anton in seinem Therapiestuhl sitzt, muss es ihm besser gehen als zuvor. Mit Antons Wachstum verändern sich auch seine Bedürfnisse und Hilfsmittel müssen immer wieder neu angepasst werden. Da ist es uns wichtig, dass wir mit dem Team vom „Innovativen Zentrum für Orthopädie und Reha-Technik INCORT“ immer gut beraten sind. Die offene und übergreifende Zusammenarbeit, die INCORT mit Antons Therapeuten pflegt, sichert uns eine optimale an unser Umfeld angepasste Versorgung. Wir sind Jan Meinke von INCORT Kinderversorgungen sehr dankbar. Mit Zollstock in der Tasche, einem fürsorglichen Verständnis und Einfühlvermögen findet er immer die richtige Lösung für unseren Anton. Ich kann mich noch daran erinnern, wie Anton im Stehständer immer mit seiner Taille weggeknickt ist. Jan Meinke hat ganz lange gebastelt und einen zweiten Bügel angebaut. Perfekt.

Frau Dreier, wie ermutigen Sie Anton über seine Behinderung hinaus Selbstvertrauen zu gewinnen?
Indem wir Anton zeigen, dass wir ihn lieben, so wie er ist. Uns ist wichtig, dass unser Sohn möglichst viele Erfahrungen macht. Dabei sind das oft Dinge, die für andere Familien selbstverständlich sind. Wenn mein Mann von der Arbeit kommt, dann wartet Anton schon, dass er ihn auf den Arm und mit unter die Dusche nimmt. Ein Ritual, welches beide am Abend entspannt und glücklich macht. Ich denke, dass wir uns sehr gut in die Bedürfnisse unseres Sohnes hineinversetzen können.

Herr Dreier, wenn Anton sich nicht richtig artikulieren kann, wie kommunizieren Sie dann miteinander?
Wir kommunizieren über Mimik und Dezibel. Anton gibt Laute von sich, laut und leise. Allein die Tonlage verrät uns seine Gemütsverfassung: Etwa ob er gerade unzufrieden, glücklich oder entspannt ist. Unser Sohn hat feine Antennen für Musik. Am liebsten hört er die Kelly Family, vielleicht spürt er auch die gewisse Geborgenheit, weil meine Frau die Musik liebt. Auch wenn er etwas nicht mag, kann er es gut zeigen: Anton ist Kartoffelpüree-Fan. Aber nicht von irgendeinem Kartoffelpüree. Und ganz und gar nicht vom leckeren, fluffigen Kartoffelpüree nach Omas Art. Nein, es muss der Fertigkartoffelpüree sein. Dann ist Anton zufrieden.

Frau Dreier, wie wichtig ist Ihnen Humor im Alltag?
Sehr. Lachen und Fünfe gerade sein lassen hat in unserer Familie eine große Bedeutung. Manchmal muss man auf sich selbst oder eine verzwickten Situation auch mal von oben gucken können. Das versuchen wir Anton vorzuleben. Ab und zu über sich selbst zu lachen, ohne sich lächerlich zu machen. Das hilft. Unser Leben ist so normal wie es ist: Manchmal anstrengend, auch mal traurig und dazwischen einfach sehr viel glückliche Familienzeit. Und dann gibt es noch diese wunderbaren Menschen in unserem Leben: Familie und Freunde, die uns unterstützen und uns von ganzem Herzen glücklich sehen möchten. Danke.

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